Ein Portrait von Prof. Reinhard Flender, Hamburg
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Seit über hundert Jahren versuchen Musiker in Amerika und Europa, Jazz und europäische Kunstmusik miteinander zu verbinden. Trotzdem sind beide Musikrichtungen selten zu einer Synthese geführt worden. Der Grund dafür liegt darin, daß der Jazz in all seinen verschiedenen stilistischen Ausrichtungen eine Musik ist, die mündlich überliefert wird. Was den Jazz ausmacht, läßt sich nur teilweise im Notenbild einfangen. Die klassische Musik demgegenüber ist geradezu mit der Erfindung der Notenschrift geboren.
Die Notationstechnik wurde dahingehend perfektioniert, daß jedes Detail einer Komposition schriftlich fixiert werden kann. Wer also diese beiden Stile miteinander verbinden will, muß die musikalische Logik, die sich mithilfe des Notenpapiers entwickeln läßt ebenso beherrschen wie die Kunst der Improvisation. Allan Botschinsky gehört zu diesen Doppelbegabungen. Als Sohn eines Orchestermusikers ist ihm der Notentext klassischer Provenienz ebenso vertraut wie die lebendigen Klänge einer improvisierten Musik. In seiner Suite für Orchester SENTIMENTS aus dem Jahre 1975 stellt er seine Meisterschaft auf beiden Gebieten unter Beweis und reiht sich in die Reihe der sogenannten "Third Stream" Komponisten wie Gunther Schuller oder Leonard Bernstein ein.
Botschinsky hat neben Orchesterwerken, Konzerten und Kammer- und Ensemblemusik auch eine Reihe von Solowerken (Colours) komponiert. In den meisten seiner Kompositionen ist die melodische Linie Ausgangspunkt der kompositorischen Arbeit. Außerdem verwendet er gerne stilistische Elemente aus der Minimalmusik als Brücke zwischen den Welten des Jazz und der modernen Klassik. So beginnt "Unexpected Move" für Kammersensemble mit einem repetitiven Motiv, das kurz später in eine reizvolle, vom Cello intonierte melodische Linie mündet, die so typisch für Botschinskys kompositorischen Stil ist. Auch "Highland Fantasies" für Trompete und Orgel bevorzugt die Linie. Nach einer kurzen Einleitung, entfaltet die Trompete ein ausgedehntes Solo über einem Orgelpunkt, das in sich wie eine perfekte Synthese aus Komposition und Improvisation wirkt. Musikalische Einflüsse verschiedener Herkunft sind Botschinskys Kompositionen derart kunstvoll ineinander verschachtelt, daß ein besonderes Hörerlebnis aus Abwechslung, Überraschung und Entspannung entsteht.